Für Güter die Bahn

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Verlagerungsbericht 2023: Ärmel hochkrempeln, bitte!

Der Alpenschutzartikel wird auch 30 Jahre nach dem Volks-Ja noch immer nicht erfüllt. Im Gegenteil: die Anzahl der alpenquerenden Lastwagenfahrten nimmt zu. Dies geht aus dem heute veröffentlichten Verlagerungsbericht 2023 hervor. Dennoch unternimmt der Bundesrat viel zu wenig, um das Verlagerungsziel zu erreichen und das Klima zu schonen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene überfällige Anpassung der LSVA an die Teuerung und die Umschichtung von Fördermittel für den alpenquerenden Schienengüterverkehr werden bei weitem nicht reichen.

Unsere Medienmitteilung

Mit vier Hebeln zum Verlagerungsziel

In der Schweiz dürfen dank der Alpen-Initiative laut Gesetz pro Jahr eigentlich nur maximal 650’000 Lastwagen durch die Alpen fahren. Trotz unbestrittenen Erfolgen der Verlagerungspolitik sind es aber auch 2021 noch deutlich mehr. Darum muss die Politik endlich vorwärts machen. Eine Alpentransitbörse (ATB) in Europa ist die wirksamste Massnahme, um dieses Ziel zu erreichen. Solange es aber keinen Konsens mit den europäischen Partnern gibt, muss die Schweiz im Inland zusätzliche Hebel in Bewegung setzen, um das Verlagerungsziel zu erreichen.

Darum fordert die Alpen-Initiative den Bund auf, folgende vier Hebel zu betätigen:

1. Mehr Binnen-, Import- und Exportverkehr verlagern

  • Die Schweiz setzt sich ein verbindliches Verlagerungsziel (Modal Split-Ziel) für den Anteil des Schienengüterverkehrs im Binnen-, Import- und Exportverkehr. Der Bahnanteil soll bis 2030 deutlich gesteigert werden und künftig weiter kontinuierlich zulegen. Die Verlagerungspolitik kann nur mit einem ambitionierten Ziel und griffigen Instrument auch in diesem Bereich zum Erfolg werden.
  • Die Trassenpreise für Güterverkehrszüge sind zu senken oder es sind andere Fördermassnahmen für den Schienengüterverkehr einzuführen, solange die externen Kosten auf der Strasse nicht vollumfänglich mit der LSVA abgegolten werden. Dies schafft gleich lange Spiesse zwischen der Strasse und der Schiene und erhöht den Anreiz, Güter auf die Schiene zu verlagern.
  • Beim Neubau von Industriegebieten, Logistikflächen und Verteilzentren einer gewissen Grösse muss zusätzlich zur Erschliessung auf der Strasse ein Gleisanschluss erbaut werden. Bei Altbauten einer gewissen Grösse muss entsprechend bis ins Jahr 2030 nachgerüstet werden. Damit werden Voraussetzungen für mehr Güter auf der Schiene geschaffen.
  • Der Bund gestaltet die Zukunft der RoLa (Rollende Landstrasse bzw. Verlad ganzer Lastenwagen auf die Bahn) mit Fördermitteln und Investitionen in die Infrastruktur (Rollmaterial und Terminals) derart attraktiv, dass die beförderten Volumen aufrechterhalten bzw. vergrössert werden können. Auf keinen Fall darf es zu einer Rückverlagerung von Transportvolumen auf die Strasse kommen.

2. LSVA für mehr Verlagerung, Kostenwahrheit und Klimaschutz weiterentwickeln

  • Die LSVA-Weiterentwicklung muss mehr Kostenwahrheit im Strassenverkehr bringen. Der Bund passt das Schwerverkehrsabgabegesetz so an, dass die aktuell zu tiefe LSVA erhöht werden kann, damit möglichst alle externen Kosten des Schwerverkehrs internalisiert werden können. Allenfalls führt er eine variable Alpentransitabgabe ein, um den Maximalbetrag der LSVA vollständig auszuschöpfen. Zahlt die Strasse auch die Kosten, die sie unserer Gesellschaft verursacht, wird die Schiene automatisch konkurrenzfähiger.
  • Die LSVA muss um ein Klima-Element ergänzt werden. Fossilfrei betriebene Lastwagen sollen begünstigt, aber nicht wie aktuell gänzlich von der LSVA befreit werden. CO2-intensive Fahrzeuge sind hingegen stärker mit Abgaben zu belasten. Dies setzt einen Anreiz, für Mittel- und Langstrecken auf die Schiene zu setzen und in der Feinverteilung auf fossilfrei-betriebene Lastwagen.

3. Technischen Innovationen im Güterverkehr zum Durchbruch verhelfen

  • Der Bund verankert im Gesetz ambitionierte Neuwagen-Flottenziele zur Senkung der CO2-Emissionen von Lastwagen, mindestens im Gleichschritt mit der EU. Dies senkt die Klimaschäden des Lastwagenverkehrs und wirkt einer Preissenkung neuer Lastwagen durch den Wegfall von Entwicklungskosten entgegen. Dies hält den Schienenverkehr konkurrenzfähiger.
  • Der Bund lanciert ein Förderprogramm für die Kranbarmachung von Sattelaufliegern, so dass mittelfristig alle auf die Schiene umschlagbar sind. Ab 2030 sollen nur noch kranbare Sattelauflieger in der Schweiz verkehren dürfen. Diese finden den Weg auf die Bahn leichter.
  • Der Bund fördert mit finanziellen Mitteln und entsprechenden Regulierungen technische Innovationen, wie die digitale automatische Kupplung und Bremsprüfung, elektromobile Hybrid-Loks, Echtzeitortung und automatisierte Entladung. Mit dieser Effizienzsteigerung im Schienengüterverkehr und kombinierten Verkehr wird die Verlagerung auf die Bahn attraktiver.

4. Verkehrssicherheit für Mensch und Umwelt erhöhen

  • Der Bund verfügt ein Verbot von Gefahrguttransporten auf der Strasse, ab einer gewissen Transportdistanz. Denn der Transport auf der Schiene ist wesentlich sicherer. Auf Passstrassen über die Alpen sollen Gefahrguttransporte schweizweit verboten werden. Für besonders gefährliche Güter, wie zum Beispiel Chlor, fordern wir ein generelles Transportverbot auf Strasse und Schiene. Dies steigert die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden,  der Anwohnenden sowie der Umwelt.
  • Es braucht mehr Schwerverkehrskontrollen in den Kontrollzentren und mobil. Bis 2024 müssen mindestens 10 Prozent der Lastwagen auf den Transitstrecken kontrolliert werden. Die geplanten Schwerverkehrskontrollzentren an den Transitstrecken und in der Fläche sollen möglichst bald in Betrieb genommen werden. Systematische Lastwagenkontrollen verbessern die Konkurrenzfähigkeit der Bahn und schaffen so einen Verlagerungsanreiz.

In Verfassung und Gesetz verankert

Die Bahn transportiert umweltschonender und energieeffizienter als Lastwagen: Deshalb gehören die Güter auf die Schiene. Das ist für die Alpen entscheidend, denn sie leiden besonders unter der Verkehrslawine. Artikel 84 der Verfassung lautet: «Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene». Der Bundesrat steht in der Pflicht, dafür geeignete Massnahmen zu ergreifen. Aber er drückt sich seit Jahren davor.

Jedes Jahr werden rund 40 Millionen Tonnen Güter durch die Alpen gefahren. Rund ein Drittel davon wird per Lastwagen transportiert. Lkws verschmutzen die Luft mit kleinsten Partikeln, stossen viel CO2 aus und verlärmen die Täler. Im Jahr 1994 wurde die Alpen-Initiative angenommen. Seither ist der Bundesrat verpflichtet, die Alpen vor den Folgen des Transitverkehrs zu schützen.

Aufgrund dieses Verfassungsgrundsatzes wurde folgendes Ziel gesetzlich verankert: Pro Jahr dürfen maximal 650’000 Lastwagen die Schweizer Alpenpässe Gotthard, San Bernardino, Simplon und Grosser St. Bernhard überqueren. Dieses Ziel hätte bereits 2008 erreicht werden sollen. Die Frist wurde jedoch auf 2018/2019 hinausgeschoben (zwei Jahre nach Eröffnung des NEAT-Basistunnels am Gotthard).

Alpenquerender Güterverkehr 2023, Grafik: Scriptum
Alpenquerender Güterverkehr 2023, Grafik: Scriptum

Dank der von der Alpen-Initiative initiierten Verkehrspolitik nimmt die Zahl der Lastwagenfahrten durch die Schweizer Alpen zwar ab, sie ist aber immer noch viel zu hoch. Der Verein Alpen-Initiative fordert deshalb vom Bundesrat zielführende Massnahmen. Einige wurden bereits ergriffen: So müssen Lastwagen seit 2001 auf allen Strassen für jeden gefahrenen Kilometer eine Abgabe zahlen, die sogenannte LSVA. Es wird zudem versucht, auf der Strasse und der Schiene gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen, zum Beispiel durch strengere Kontrollen auf der Strasse.

Es sind jedoch weitere Massnahmen notwendig, um das gesetzlich verankerte Ziel von jährlich maximal 650’000 alpenquerenden Lastwagen zu erreichen. Die Bahn hat genügend Kapazitäten für den Güterverkehr.

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