25. November 2021

Noch immer queren 30 Prozent mehr Lastwagen die Alpen als gesetzlich erlaubt. Schluss mit der Pflästerlipolitik. Der Bundesrat muss jetzt endlich die Notbremse ziehen und diesen Schwerverkehrsüberschuss im Alpenraum auf die Schiene bringen. Folgende vier Hebel sind nun zu betätigen: Erstens: Verlagerungsziel für Import-, Export- und Inlandgüterverkehr festlegen. Zweitens: 2023 mit der LSVA-Revision die Abgaben verursachergerecht gestalten. Drittens: Innovation im Schienentransport vorantreiben. Viertens: Sicherheitsanforderungen im Strassentransport verschärfen.

Echo 168, Cartoon Diego Balli

Gegen kein geltendes Schweizer Gesetz verstösst die Praxis derart fundamental und gleichzeitig folgenlos wie gegen das Verlagerungsgesetz. Dabei ist klar: Pro Jahr dürfen nur maximal 650’000 Lastwagen durch die Alpen fahren. 2018 ist bereits die zweite Gnadenfrist zur Umsetzung abgelaufen, seither herrscht ein gesetzeswidriger Zustand. Auch dieses Jahr ist die Maximalzahl von Lastwagen bereits seit September überschritten. Trotz Sondereffekt Corona wurde 2020 das Verlagerungsziel mit 863’000 statt der erlaubten 650’000 alpenquerenden Lastwagen deutlich verfehlt. 2021 dürften es gegen 900’000 Lastwagen sein – gemäss dem Halbjahresaufkommen von 457’000 Fahrten.

Fazit: Der Bundesrat ist nicht in der Lage, den im Verlagerungsgesetz formulierten Volksauftrag zu erfüllen. Wir legen unter www.alpeninitiative.ch/verlagerung dar, weshalb auch sein angepasster Massnahmenplan noch immer nicht genügt, um das Ziel zu erreichen.

Daher erinnert die Alpen-Initiative den Bundesrat mit Nachdruck an den gesetzlichen Auftrag und gibt ihm folgenden 4-Hebel-Plan an die Hand.

1) Mehr Import-, Export- und Binnenverkehr auf die Schiene verlagern

Die Schweizer Wirtschaft verursacht über 500’000 der alpenquerenden Lastwagenfahrten. Nur gerade 41 Prozent der registrierten Fahrten entstammen aktuell noch dem Transitverkehr. Ausgangspunkt für dieses Aufkommen sind Wirtschaftsregionen im ganzen Land. Entsprechend braucht es nicht nur für den gesamten Import- und -Exportverkehr, sondern auch für Inlandtransporte ein ambitioniertes und verbindliches Verlagerungsziel für den Anteil des Schienengüterverkehrs am gesamten Güterverkehr. Nach dem Vorbild anderer Länder muss der Bundesrat die Preise senken, die die Zugskompositionen für ihr Zeitfenster zur Schienennutzung (Trassenpreise) bezahlen. Auch sind für neue Industriegebiete, Logistikflächen und Verteilzentren zwingend Gleisanschlüsse zu erstellen. Zudem braucht es ein Ersatzmodell für die Rollende Landstrasse (RoLa), die 2028 eingestellt werden soll. Sie hat 2019 ganze 87’000 Lastwagen komplett auf die Schiene gebracht. Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass diese Lastwagen auf die Strasse zurückschwappen.

2) LSVA für mehr Verlagerung und Kostenwahrheit weiterentwickeln

Der Bundesrat muss bei der Revision der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) 2023 die Verlagerung ins Zentrum stellen. Damit der Schienentransport gleich lange Spiesse im Wettbewerb hat wie der Strassentransport, müssen Bundesrat und Parlament einen Ausgleich schaffen, indem sie die LSVA verursachergerecht austarieren. Heute trägt die Lastwagenbranche nur jährlich 1 Milliarde LSVA-Franken zu den verursachten externen Kosten an Luftverschmutzung, Lärm, Klima, Natur- und Landschaft, Unfällen und Stauzeit bei. 1,35 Milliarden Franken bleibt sie jährlich schuldig. Anstatt dass die Allgemeinheit die Zeche bezahlt, müssen diese Kosten in den LSVA-Abgaben internalisiert werden. Das Stimmvolk hatte im Rahmen der Abstimmung zur Einführung der LSVA 1998 viel höheren Abgaben zugestimmt. Heute reizt die Schweiz nicht einmal die nachträglich im Landverkehrsabkommen mit der EU auf tieferem Niveau gedeckelten LSVA-Maximalbeitrage aus.

Gleichzeitig ist die Alpen-Initiative erfreut über die bereits erfolgten parlamentarischen und nun im Verlagerungsbericht 2021 vom Bundesrat bestätigten Weichenstellungen für eine Bepreisung nach unterschiedlichen CO2-Emissionsklassen. Wer mehr CO2 emittiert, muss mehr bezahlen. Emissionsärmere Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sollen Vergünstigungen erhalten, aber nicht von ihr befreit werden. Das ist nur fair. Denn auch diese verursachen hohe externe Kosten.

3) Innovationen im Güterverkehr zum Durchbruch verhelfen

Erstens: Der Bundesrat muss ambitionierte Neuwagen-Flottenziele zur Senkung der CO2-Emissionen für Lastwagen im Gesetz verankern. Zweitens: Der Bundesrat muss Sattelauflieger mit einem neuen Förderprogramm kranbar und damit schienentransportfähig machen. Das Potenzial ist enorm: Gegen 95 % der 2020 alpenquerenden 863’000 Lastwagen haben diese Anforderung nicht erfüllt. Drittens: Die EU, und mit ihr die Schweiz, hat sich soeben auf eine einheitliche automatische und digitalisierbare Kupplung geeinigt. Dadurch können Güterwagen künftig schneller und viel effizienter rangiert werden. Weil Zeit und Kosten in der Logistik zentrale Wettbewerbsfaktoren sind, muss der Bund die Modernisierung der 40’000 Güterwagen auf dem Schweizer Bahnnetz vorantreiben.

4) Verkehrssicherheit für Mensch und Umwelt erhöhen

Ein Verbot der Gefahrguttransporte am Simplon ist zwingend. Denn die der Walliser Regierung und Wirtschaft auferlegte Selbstverpflichtung zur Lösung oder Minderung der Problematik hat wiederholt null Wirkung gezeigt. Ein Verbot schützt nicht nur die Anwohnenden und alle Verkehrsteilnehmenden sowie geschützte Tiere, Pflanzen und Grundwasserquellen am Simplon. Es würde auch zur Verlagerung beitragen. Mit einem Verbot brächte der Bundesrat mit einem Schlag 11’000 Lastwagen pro Jahr auf die Schiene. Auch in der Fläche gehören Gefahrguttransporte auf die viel sicherere Bahn.

Und es braucht mehr Schwerverkehrskontrollen: Die Statistik 2020 beanstandet bei einem Drittel der kontrollierten Lastwagen und gar bei fast jedem zweiten kontrollierten Lieferwagen Sicherheitsmängel. Dieses grosse Unfallpotenzial für Bevölkerung und Umwelt betrifft die ganze Schweiz. Denn bevor diese Lastwagen die Alpen passieren, durchfahren sie das Flachland: Ab 2024 müssen 10 Prozent der alpenquerenden Lastwagen statt der bis anhin 4 Prozent kontrolliert werden. Das animiert die Transporteure zusätzlich dazu, vermehrt die die Schiene zu nutzen.

Die vier einzelnen Hebel zur beschleunigten Verlagerung sind auf der Website eingehend erläutert. Am selben Ort sind die Kommentare der Alpen-Initiative zum ungenügenden Massnahmenpaket des Bundesrates zu finden: www.alpeninitiative.ch/verlagerung