20. September 2004

Echo Nr. 78
Bryan A. Stone, unabhängiger Logistiker und Verkehrsberater, hat die Alpentransitbörse genauer unter die Lupe genommen. Er ist überzeugt, dass dieses System realisierbar ist und wesentliche Verbesserungen gegenüber dem heutigen Verkehrssystem bringt.

Der Schotte Bryan A. Stone hat seine Karriere als Eisenbahningenieur bei den Britischen Bahnen angefangen. In den Sechzigerjahren kam er aufs Festland, um beim Aufbau der Kombitransportgesellschaft Intercontainer zu helfen, der er zuletzt als Vizedirektor für Marketing diente. Seit 1994 ist Stone selbstständiger Berater und weltweit gefragter Experte für den kombinierten Verkehr. Obwohl inzwischen eigentlich im Ruhestand, ist der Wahl-Basler mit einigen Ehrentiteln noch immer rastlos unterwegs. Als Logistik-Fachmann begleitet er zusammen mit seinem Geschäftspartner Christian Aeschlimann eine vom Bund beauftragte Studie zur Alpentransitbörse. Er betrachtet das von der Alpen-Initiative vorgeschlagene Verlagerungsinstrument vor allem aus Sicht der Wirtschaft.

Ist die Alpentransitbörse ein taugliches Mittel, die Probleme im alpenquerenden Güterverkehr in den Griff zu bekommen? Bryan A. Stone: «Die heutige Situation zeigt deutlich, dass vor allem in den Hauptverkehrszeiten keine ausreichenden Strassenkapazitäten mehr zur Verfügung stehen. Damit wird klar, dass ein geordnetes und gerechtes Lenkungs- und Vorbuchungssystem unerlässlich ist, um Chaos, Ungerechtigkeit und vielleicht auch kriminelle Einwirkungen zu verhindern. Die von der Alpen-Initiative vorgeschlagene Transitbörse scheint machbar und verspricht wesentliche Verbesserungen gegenüber den heute chaotischen Verhältnissen.»

Wird damit nicht die freie Wahl der Verkehrsmittel tangiert? Bryan A. Stone: «Der Strassenverkehr glaubt als einziger Modus, den jederzeit freien und unbeschränkten Zugang zur Infrastruktur beanspruchen zu können. Dies entspringt jedoch eher einem Wunsch als einer Regel. Bei der Schifffahrt sowie beim Luft- und Bahnverkehr muss die Fahrt in der Regel zum Voraus angemeldet und für den Transport bezahlt werden. Niemand wird behaupten, der Luftverkehr sei ein Grundrecht und müsse jederzeit zur Verfügung stehen.»

Was bringt eine Alpentransitbörse dem Transportgewerbe? Bryan A. Stone: «Die Wirtschaft ist auf planbare und zuverlässige Transportmöglichkeiten angewiesen, was unter den heutigen Umständen nicht gegeben ist. Eine Transitbörse wäre da bedeutend zuverlässiger, da durch die Kapazitätsvermarktung Zusammenbrüche vermieden werden können. Der Strassenverkehr ist heute von extrem kurzfristigen Reaktions- und Dispositionszeiten geprägt. Mit einer längerfristigen Disposition werden Engpässe und mögliche Alternativen frühzeitig erkannt und können auch genutzt werden. Zudem erlaubt eine frühzeitige Planung auch eine bessere Fahrzeugdisposition und eine höhere Auslastung, was durchaus im Interesse des Transportgewerbes liegt.»

Sind weiterreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft zu erwarten? Bryan A. Stone: «Wir müssen uns im Klaren sein, dass eine Transitbörse eine radikale Umstellung bei den heute üblichen Handelsusancen bringt. Bis jetzt haben Industrie und Gewerbe davon ausgehen können, dass die Nähe zur Autobahn oder früher der Gleisanschluss die Vertriebseffizienz garantiert. Die bereits jetzt eingeführten Lenkungssysteme zeigen, dass diese Zeiten vorbei sind. Das hat mögliche Auswirkungen in der Siedlungs- und Niederlassungspraxis, in Verteiler- und Logistikabläufen und eventuell in der regionalen und lokalen Konjunkturentwicklung zur Folge. Eine politische Akzeptanz und eine engagierte Mitarbeit aller betroffenen Kreise sind bei der Realisierung einer Alpentransitbörse unerlässlich, um Verzerrungen zu vermeiden.»

Mit welchen Problemen muss bei einer Realisierung gerechnet werden? Bryan A. Stone: «Bisher sind keine praktischen Lösungen von Transitbörsen bekannt, und der Widerstand der Wirtschaft gegen alle Beschränkungen ist gross. Anderseits aber ist die Akzeptanz von praktikablen Planungs- und Lenkungsmassnahmen aufgrund des stark zugenommenen Leidensdruckes grösser, als noch vor ein paar Jahren. Ich glaube, dass eine Transitbörse machbar ist und wesentliche Verbesserungen gegenüber den heute chaotischen Verhältnissen verspricht. Ein Börsensystem kann aber nur mit Unterstützung und Mitwirkung aller Alpenländer und derjenigen Nachbarländer, in denen die alternativen Leitungswege ihren Anfang und ihr Ende haben, erfolgreich eingeführt und betrieben werden.»