22. April 2020

Die Klimaerwärmung verändert das Gesicht der Alpen in Windeseile. Rahel Ganarin verfolgt diese Entwicklung genau. Die 26-jährige Glaziologin verbringt ihre Sommer auf Schweizer Gletschern. Was treibt sie an, diese Welt zu erforschen?

loe. Von ihrem Elternhaus im Freiamt aus hatte Rahel Ganarin schon immer einen prächtigen Blick auf die eisbedeckten Kuppen der Alpen. Dass sie einmal am Fusse des Matterhorns als Gletscherforscherin tätig sein würde, war aber für die frischgebackene Uni-Absolventin nicht von Kindesbeinen an klar. Gerade in der Jugend zog es Rahel Ganarin mehr in die Stadt als in die Berge. Ihr Interesse für das (scheinbar) ewige Eis entdeckte sie schliesslich als Geographiestudentin an der Uni Zürich. Die Vergleiche zwischen älteren und neuen Gletscheraufnahmen hinterliessen bei ihr einen bleibenden Eindruck und motivierten sie für eine Spezialisierung in Glaziologie. Fortan war die Aargauerin Sommer für Sommer im hochalpinen Terrain unterwegs.

Bis zum Nordpolarkreis

Rahel Ganarin wurde Zeugin, wie der Berner Steingletscher in nur fünf Jahren um fast hundert Meter zurückschmolz, oder wie der Tiefengletscher am Urner Galenstock in zwei Teile zerfiel und hunderte Meter Toteis zurückliess. Im Sommer 2018 reiste sie zudem im Rahmen einer fünfwöchigen Exkursion nach Spitzbergen und erkundete dort Eismassen, die seit fünf Jahren keine Menschenseele mehr zu Gesicht bekommen hatten.

Ein Gletscher der ganz anderen Art war dann Gegenstand ihrer Masterarbeit, die in Forschungskreisen auf viel Anerkennung stiess. Sie untersuchte das Fliessverhalten des von Schutt bedeckten Zmuttgletschers bei Zermatt. Weil der Permafrost in den Bergen auftaut und die Instabilität der Bergflanken steigt, wird es immer mehr Gletscher dieser Art geben.

Vor unserer Haustür

Oft wird Rahel Ganarin gefragt, ob ihre Arbeit als Gletscherforscherin nicht deprimierend sei. Ihre Antwort: «Natürlich schmerzt mich der Anblick, wenn ich nach einem Jahr wieder auf einen Gletscher zurückkomme und seinen Schwund mit eigenen Augen sehe. Andererseits befinden wir uns aus wissenschaftlicher Sicht in einer enorm wichtigen Zeit.» Was die junge Glaziologin damit sagen will: Die Auswirkungen der zurückweichenden Eismassen gehen weit über das Landschaftsbild hinaus. «Wenn durch den Gletscherrückgang künftig im Hochsommer mit deutlich weniger Abfluss zu rechnen ist, hat das spürbare Auswirkungen auf die Landwirtschaft – ganz zu schweigen von den Folgen des Eis-Albedo-Effekts.»

Dieser Rückkoppelungseffekt besagt, dass sich dunkle Oberflächen stärker erwärmen als helle. So erwärmt sich die Luft in den Alpen mit dem Schrumpfen der hiesigen Schnee- und Eisbedeckung besonders stark. Praktisch vor unserer Haustür zeigt sich damit ein Phänomen, das mit Blick auf die Eisschilde an Nord- und Südpol zu den folgenschwersten Kipppunkten des Weltklimas gehört. Überschreiten wir einen solchen Kipppunkt, verstärkt sich die Klimaerwärmung ohne menschliche Einwirkung von selbst. Ein beängstigendes Szenario, das Rahel Ganarin immer wieder antreibt, die Menschen durch ihr berufliches und privates Engagement für den Klimaschutz zu sensibilisieren.

Die Wissenschaft ist gefordert

Geht es nach Rahel Ganarin, muss auch in der Wissenschaft ein Umdenken stattfinden. In ihrem Studium etwa sei es meist nur darum gegangen, wie sich die Gesellschaft an die Folgen des Klimawandels anpassen kann. «Dabei ist die Frage, wie wir die menschengemachte Klimaerwärmung begrenzen und so das Problem an der Wurzel packen können, genauso wichtig», insistiert die junge Glaziologin. Um hier einen Schritt weiterzukommen, brauche es auch an den Hochschulen mehr Zusammenarbeit statt Gärtchendenken. «Historikerinnen, Ökonomen und Naturwissenschaftlerinnen sollten sich gemeinsam überlegen, welchen Beitrag sie zur Bewältigung der ökologischen Probleme leisten können», schlägt die Freiämterin vor.

Klimaschutz heisst auch Alpenschutz

Die Klimaerwärmung hat dramatische Folgen – gerade auch für die Schweiz. Die Alpen, unser einzigartiger und empfindlicher Lebensraum, sind besonders gefährdet und brauchen jetzt eine mutige und wirksame Klimapolitik! Das werden wir der Schweizer Bevölkerung in den nächsten Wochen mit einer Onlinekampagne aufzeigen.

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