22. August 2011

Nach dem Volksentscheid in Uri ist klar, dass es am Gotthard keine zweite Röhre geben darf. Damit eröffnet sich die Chance, die Alpentransitbörse einzuführen und den Güterverkehr dauerhaft auf die Schiene zu verlagern. Neue Studien des Bundes erteilen der Alpentransitbörse gute Noten.

aa./tob. Mobilität auf Strasse und Schiene ist begrenzt. Deshalb braucht es geistige Beweglichkeit, zum Beispiel in der ­Frage, wie die Schweiz künftig den Güterverkehr abwickeln will. Verfassung und Gesetz ­verlangen, dass die Zahl der alpenquerenden Lastwagen halbiert wird – von heute 1,3 Millionen Lastwagen auf 650’000. Gleichzeitig scheint unvermeidlich, dass der Gotthard-Strassentunnel, der die Hauptachse darstellt, saniert wird. Das macht die Sache kompliziert.

Eine zweite Strassenröhre kann nicht die Lösung sein. Sie würde die Verlagerungs­politik sabotieren und der Verfassung widersprechen. Zudem hat sich das Schweizer Stimmvolk in mehreren Abstimmungen konsequent dagegen ausgesprochen – wie jüngst im Kanton Uri. Zukunftsweisende Konzepte sind gefragt. Eines davon ist die Alpentransitbörse (ATB). Sie ist die massgeschneiderte Lösung für den alpenquerenden Güterverkehr.

Die Alpen-Initiative hat die Alpentransitbörse 2001 in die politische Diskussion eingebracht. Vor kurzem hat das Bundesamt für Verkehr (BAV) zwei Studien ­veröffentlicht. Sie kamen – gleich wie frühere Analysen – zum Schluss, dass die Alpentransitbörse technisch machbar und effektiv ist. Und nicht nur das. Die Alpentransitbörse sei auch ökonomisch und administrativ sinnvoll. Die Experten bestätigten damit, was die Alpen-Initiative seit langem sagt: Mit einer Alpentransitbörse liesse sich der alpenquerende Güterverkehr von der Strasse auf die Schiene bringen. Was die Studien zudem sagen: Auch die Alpenübergänge in Frankreich, Italien und Österreich sind in das Konzept einzubeziehen. Die Alpen-Initiative begrüsst das und hat vorausschauend ihre Idee der Alpentransitbörse immer wieder auch im Ausland erklärt.

Die anstehende Sanierung des Gotthard-Strassentunnels bietet die Chance, der Alpen­transitbörse und der Verlagerung den entscheidenden Schub zu verleihen. Dabei gilt für die Schweiz grundsätzlich Folgendes: Die Verlagerung des alpenque­renden Güterverkehrs muss gemäss Verfassung von Grenze zu Grenze erfolgen. Das heisst, der Verlad der Güter respektive Lastwagen muss bereits in Italien und Deutschland stattfinden. So reduziert sich die Zahl von heute 1,3 Millionen alpenquerenden Lastwagen bis 2019 auf 650’000. Auf diese Weise werden alle Alpenpässe um die Hälfte der Lastwagen entlastet.

Verlagern UND sanieren
Diese Verlagerung wurde vom Volk 1994 in die Verfassung geschrieben und im ­Gesetz leider immer noch zu unverbindlich konkretisiert. Mit der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels kommt ein weiteres Element zur Problematik des alpenquerenden Güterverkehrs hinzu. ­Für die Sanierung muss Folgendes gelten:

Der Gotthard-Strassentunnel darf nicht ohne Ersatzangebot gesperrt werden. Das heisst, während der Sanierung muss ein Autoverlad durch den alten Eisenbahntunnel Göschenen – Airolo und ein Lastwagenverlad durch den neuen Neat-Basistunnel zur Verfügung stehen.
In der Hauptreisezeit (Sommermonate) muss der Strassentunnel offen bleiben; die Bauarbeiten müssen sich auf das verkehrsschwache Winterhalbjahr beschränken.
Der Landverbrauch für die Lastwagen-Terminals in Biasca und Erstfeld/Schattdorf muss absolut minimiert werden.
Personenwagen und Cars sollen gratis zu Lasten der Nationalstrassenrechnung verladen werden.
Lastwagen hingegen sollen für den Verlad eine Gebühr in der Höhe der eingesparten Kosten (LSVA, Dieselverbrauch, Fahrzeugabnützung, Ruhezeit für den Chauffeur) entrichten.
Besonders betroffene Betriebe sollen entschädigt werden, wenn ihnen keine akzeptable Transport-Alternative an­geboten werden kann.
Der vorgeschlagene Lastwagenverlad im Gotthard-Basistunnel kann rund 500’000 Fahrzeuge aufnehmen. Das entspricht ­genau der Zahl, die gemäss Güterverkehrsverlagerungsgesetz ab 2019 noch auf der Strasse durch den Gotthard rollen darf.

Damit die Kapazität des Verlads nicht überschritten wird, muss zwingend eine Dosierung eingeführt werden. Das beste Instrument dazu ist die Alpentransitbörse. Dabei müssen alle Pässe in das Konzept einbezogen werden, nicht nur der Gotthard.

Auch nach Sanierung verladen
Der Verlad von Lastwagen am Gotthard während der Sanierung ist – im Gegensatz zur Verlagerung von Grenze zu Grenze – als vorübergehende Massnahme gedacht. Die Alpen-Initiative favorisiert eine Lösung, die diesen Kurz-Verlad für Lastwagen auch nach der Sanierung aufrecht­erhalten und im Strassentunnel ein generelles Lastwagenverbot erlassen will (mit Ausnahmen für den Lokalverkehr). Damit wird die ­Sicherheit im Strassentunnel und auf den Steilrampen zwischen Erstfeld und Göschenen bzw. Biasca und Airolo erhöht. Eine von der Alpen-Initiative in Auftrag gegebene Studie zeigt überdies, dass die Staus vor dem Gotthardtunnel um drei Viertel reduziert werden könnten.
In einem Brief an Verkehrsministerin ­Doris Leuthard hat die Alpen-Initiative ihren Standpunkt klar gemacht und die Hoffnung ausgedrückt, dass der Bund sein ­Sanierungskonzept weiter verfeinert. Eine Sanierung ohne zweite Röhre ist zudem ein gutes Argument in den Verhandlungen mit den anderen Alpenländern und der
EU zur Einführung einer Alpentransit­börse. Dabei ist der Bundesrat durch die Volksabstimmung in Uri vom 15. Mai, aber auch durch verschiedene nationale Abstimmungen (Zustimmung zu NEAT 1992, Alpen-Initiative und LSVA 1994, FinöV und LSVA-Gesetz 1998, Ablehnung des Avanti-Gegenvorschlags 2004) absolut legitimiert, eine Alpentransitbörse zu fordern.

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