19. November 2007

Sie sind der Albtraum für die Alpen: Die Gigaliner. Diese langen und schweren Lastwagen von über 25 Metern Länge und 40 bis zu 60 Tonnen Gewicht widersprechen den Bemühungen, den Schwerverkehr umweltverträglicher zu gestalten und auf die Schiene zu verlagern. Die Allianz Pro Schiene setzt sich mit einer Kampagne gegen die Einführung der Gigaliner ein. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz Pro Schiene, beantwortet fünf Fragen rund um die Monstertrucks.

aa/cos. Herr Flege, wann fahren auf Europas Strassen Monstertrucks?
Wenns gut läuft, gar nicht. Die vorentscheidende Schlacht haben wir im Oktober in Deutschland gewonnen. Nach einer gross angelegten Aufklärungskampagne mit unseren Mitgliedsverbänden (www.gueter-auf-die-schiene.de) haben sich die Verkehrsminister der deutschen Bundesländer mit 10 zu 6 Stimmen gegen einen bundesweiten Pilotversuch ausgesprochen. Nun gilt es aber wachsam zu bleiben. Die Befürworter der Riesen-Lkw werden sich jetzt auf die EU-Ebene konzentrieren. Spätestens wenn Brüssel im Frühjahr kommenden Jahres ein von der EU-Kommission in Auftrag gegebenes Gutachten vorstellen wird, droht erneut Gefahr – diesmal für ganz Europa.

Warum sind Sie gegen Gigaliner?
Gigaliner sind gefährlich, teuer und umweltschädlich. Gefährlich für andere Verkehrsteilnehmer, teuer für die Steuerzahler und umweltschädlich, weil unterm Strich mehr Kohlendioxid ausgestossen wird.

Aber sind mit Gigalinern nicht weniger LKW für die gleichen Gütermengen nötig?
Die Befürworter der Riesen-Lkw argumentieren damit, dass man aus drei 40-Tonnen-Lkw zwei 60-Tonnen-Lkw machen könne und damit unterm Strich Kraftstoff sparen und die Strassen entlasten könne. Auf den ersten Blick klingt das plausibel. Auf den zweiten Blick ist das aber eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Durch die flächendeckende Einführung von Riesen-Lkw würde der Strassengütertransport über Nacht rund 20 Prozent billiger. Das bedeutet, es wird massenhaft Fracht von der umweltfreundlichen Schiene auf die Strasse wandern. Und es gäbe darüber hinaus neuen Lkw-Verkehr, weil die Lagerhaltung auf der Strasse noch billiger wird. Wir hätten hunderttausende zusätzliche Lkw-Fahrten und insgesamt eine deutlich schlechtere CO2-Bilanz.

Welche Auswirkungen hätte es, wenn Gigaliner über die Alpen fahren dürften?
Albtraumartige. Stellen Sie sich einmal vor, vier 25,25-Meter lange Lkw-Monster, jeweils mit 60 Tonnen beladen, quälen sich direkt hintereinander die Alpen hoch. Sie wären deutlich langsamer als andere Lkw, weshalb sie von den anderen Lkw reihenweise überholt würden. Und nun wollen Sie als Autofahrer rechts zu Ihrer Autobahnausfahrt. Diesen mehrere hundert Meter langen Lkw-Doppelriegel können Sie nicht knacken. Sie kommen als Autofahrer überhaupt nicht mehr runter von der Autobahn! Klar ist auch: Wenn Gigaliner bergab fahren und von der Spur abkommen, kann sie keine Leitplanke aufhalten. Ein Geschoss mit dieser Masse geht durch Leitplanken wie durch warme Butter. Ähnlich beunruhigend ist die Steuerzahlerperspektive. Das Bundesverkehrsministerium hat alleine für Deutschland einen Betrag von 8 Milliarden Euro ausgerechnet, um die Autobahnbrücken so umzurüsten, dass sie der höheren Gesamtlast mit Gigalinern standhalten können. Auf die Alpennationen kämen Milliarden an zusätzlichen Infrastrukturkosten zu, die grossteils von der Allgemeinheit bezahlt werden müssten. Albtraumartig wären die Auswirkungen auch für Umwelt und Anwohner. Da Gigaliner eine deutlich schlechtere Umweltbilanz haben als Güterbahnen, wäre eine Verlagerung des Verkehrs auf die Strasse eine zusätzliche Bedrohung für die ökologisch sensible Alpenregion – von dem Leid der ohnehin schon lärm- und schadstoffgeplagten Anwohnerinnen und Anwohner ganz zu schweigen.

Wie steht die Allianz pro Schiene zu unserer Idee der Alpentransitbörse?
Positiv. Der Lebensraum der Alpen ist nur begrenzt belastbar. Insofern ist es konsequent, die Belastungsgrenze zu definieren und dann marktwirtschaftlich zu agieren.