21. August 2014

Die 35-jährige Ingrid Felipe ist die Aufsteigerin der Tiroler Politik. Seit einem Jahr ist sie Vizepräsidentin der Tiroler Regierung, zuständig für Verkehr und Umwelt. Sie will der EU die besondere Lage ihrer Region erklären.

mh. Trotz des neuen Prestiges versteckt sich die «Landeshauptmann-Stellvertreterin» nicht hinter ihrem Titel. Mit ihr als Spitzenkandidatin konnten die Grünen im vergangenen Jahr als einzige Partei im Landtag Sitze dazugewinnen. Ihr Publikum hält Ingrid Felipe unter @dieingrid über Twitter auf dem Laufenden, und auf ihrem Blog erklärt sie der Wählerschaft ihre politischen Entscheidungen.

Neben allem Erfolg gab es aber auch Kritik für die Koalition mit der in Tirol früher allmächtigen ÖVP. «In der Presse hiess es, die ÖVP umarme uns zu Tode», erinnert sich Felipe: «So ist es nicht. Vielmehr haben wir es geschafft, einen konstruktiven Umgang zu finden – es ist eine Koalition auf Augenhöhe.» Das erste Jahr in der Regierung sei anstrengend, aber lohnend gewesen.

Ingrid Felipes Politikkarriere begann erst vor fünf Jahren, als die Tiroler Grünen sie zur Landessprecherin ernannten. Im März 2010 wurde sie Gemeinderätin in Rum – einem Dorf «im Speckgürtel von Innsbruck», wie sie selbst sagt. Von 2012 bis 2013 sass sie im Tiroler Landtag. Die studierte Betriebswirtschafterin und engagierte ehemalige Handballerin ist Mutter eines 11-jährigen Sohnes. Weitherum bekannt ist die Geschichte, dass sie mit acht Jahren durchgesetzt hat, zusammen mit ihrer Schwester beim Gottesdienst ministrieren zu dürfen.

Als Mitglied der Landesregierung steht Felipe vor der Aufgabe, sich der Transitlawine entgegenzustellen, welche lärmend über die Tiroler Alpentäler hereinbricht. Ende Juni trafen sich in Innsbruck Repräsentanten von Schweden bis Verona, von Frankreich über die Schweiz bis nach Südtirol, um über Verlagerungspolitik zu diskutieren. Just in dieser Woche verabschiedete die Tiroler Regierung ein Paket mit dem Ziel, endlich die europäischen Luftgrenzwerte entlang der Autobahnen einhalten zu können. Dabei brachten die Grünen ihre Koalitionspartner dazu, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h auf den Autobahnen in den «Luftsanierungsgebieten» zu akzeptieren. Während des Wahlkampfs hatte Günther Platter, Felipes ÖVP-Gegenpart, diese Massnahme noch als «Schwachsinn» bezeichnet.

Tempo 100
Die Geschwindigkeitsbegrenzung ist die notwendige Voraussetzung dafür, um das sektorale Fahrverbot, das vom europäischen Gerichtshof 2011 gekippt wurde, wieder einzuführen. Dieses Verbot für Abfall-, Stein- und Schrotttransporte auf der Strasse soll ab Herbst 2015 die Zahl der Lastwagen pro Tag um 550 verringern. Mit weiteren Massnahmen soll der Schwerverkehr in den nächsten Jahren schrittweise auf die Schiene gebracht werden.

Es scheint den Grünen also tatsächlich zu gelingen, ihre eigenen Wünsche in die Regierung einzubringen. «Ich möchte die Arme ausstrecken und nicht vor der Brust verschränken», sagt Ingrid Felipe zur Zusammenarbeit in der Regierung: «Gleichzeitig kann nur wer stark verwurzelt ist die Hand zum Kompromiss reichen.»

Es ist ihr ein Anliegen, dem neuen EU-Verkehrskommissar die in Tirol getroffenen Massnahmen zu präsentieren. Es sei sehr wichtig, die Stimme der Alpenregionen in die Hauptstädte und nach Brüssel zu tragen. Dabei ist für sie klar: «Im Alpenraum bleibt das Ziel die Alpentransitbörse.» Es sei kein besseres Instrument vorhanden, um den Verkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Diese Alpentransitbörse sei wie ein Berggipfel, den alle erreichen wollen. «Nun müssen wir nur noch den Weg finden, den alle mitgehen können», sagt Ingrid Felipe. Die Alpen-Initiative freut sich, in ihr eine zuverlässige Partnerin in der Seilschaft zu haben.