23. März 2017

Wer nahe an der Autobahn lebt, leidet überdurchschnittlich oft an Asthma und Bronchitis. Im Urner Reusstal wirkt sich der viele Feinstaub verheerend aus: Kinder leben wie in einem Raucherhaushalt – mit entsprechender Beeinträchtigung der Atemwege. Der alpenquerende Lastwagenverkehr hat daran einen grossen Anteil.

Die Lastwagen werden sauberer. Diese gängige Formulierung täuscht über die Zustände hinweg, die entlang der Transitachsen herrschen. Seit 2003 wird die Umweltqualität überwacht. Verlässliche Aussagen sind also machbar. In seinem jüngsten Bericht zu den Umweltbelastungen des alpenquerenden Güterverkehrs hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) festgehalten, dass die Belastung für Mensch und Umwelt nach wie vor hoch ist.

Der «Alpenfaktor»
Luftschadstoffe bleiben in den Alpentälern länger liegen als im Flachland. Dies aufgrund der Topografie und der besonderen Wetterverhältnisse. Das BAFU schreibt in seinem Bericht, dass sich Stickoxide in einem Alpental dreimal so schlimm auswirken wie im Flachland. Das heisst, ein einzelner in einem Alpental fahrender Lastwagen belastet Mensch und Umwelt gleich stark wie das drei Lastwagen in Basel insgesamt tun! Dieser Effekt wird «Alpenfaktor» genannt und gilt auch beim Lärm.

Der Grenzwert für den Jahresmittelwert von Stickoxiden wird an allen Messstationen des Bundes entlang der Transitachse A2 überschritten. Auch die Russ-Immissionen übersteigen den Toleranzwert immer noch weiträumig. Das BAFU hält in seinem Bericht fest: «Die Bedeutung des Schwerverkehrs zeigt sich darin, dass dieser für 33 % des Stickoxid-Ausstosses auf den Transitachsen im Alpenraum verantwortlich ist.» Nachdem im Februar bekannt wurde, dass ein grosser Teil der Transitlastwagen mit manipulierten Abgasanlagen umherfahren, muss die Prozentzahl wahrscheinlich noch nach oben korrigiert werden.

Stickoxide, vor allem aber Stickstoffdioxid (NO2), verursachen Atemwegsprobleme und schädigen empfindliche Ökosysteme (Überdüngung) und Pflanzen. Ausserdem sind sie wichtige Vorläufersubstanzen bei der Bildung von bodennahmen Ozon. Auffällig dabei: An Sonntagen, wenn die Lastwagen nicht fahren dürfen, ist die NO2-Belastung beispielsweise in Erstfeld UR deutlich tiefer als an Werktagen.

CO2: keine Fortschritte
Technische Entwicklungen haben die Lastwagen etwas sauberer gemacht – aber nicht sauber! Keine Fortschritte erzielt wurden beim Ausstoss des klimaschädigenden CO2. Anders gesagt: Ein Lastwagen verbrennt auf 100 Kilometer immer noch gleich viel Diesel wie vor 20 Jahren. Das ist umso stossender, als sich die Klimaerwärmung in den Alpen viel negativer auswirken wird als im Flachland. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Alternative Fakten dazu gibt es nicht.

Die Auswirkungen
Das BAFU hat vertieft untersucht, wie sich die Luftschadstoffbelastung im Urner Reusstal auswirkt. Klar ist, dass entlang der Autobahn A2 hohe Werte sowohl für Stickstoffdioxid als auch für Russpartikel aus der Dieselverbrennung gemessen werden. Erst in 200 Metern Entfernung nimmt die Belastung ab. Über 10 Prozent der Menschen, die näher an der Autobahn wohnen, leiden unter Asthma oder Bronchitis. Untersuchungen haben zudem ergeben, dass Kinder, die relativ hohen Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt sind, ein 15 bis 30 Prozent höheres Risiko haben, an Atemwegserkrankungen zu leiden. Das sei vergleichbar mit Kindern, die in einem Raucherhaushalt leben, schreibt das BAFU in seinem Bericht. Zudem lässt die übermässige Lärmbelastung den Blutdruck steigen und das Herz schnell er schlagen. Würde der Bundesrat endlich dafür sorgen, dass weniger Lastwagen die Alpen durchqueren, so würden Menschen und Umwelt entlang der Transitachsen aufatmen können.

Quelle: www.bafu.admin.ch (Themen/Luft/Publikationen und Studien/Umweltbelastungen des alpenquerenden Güterverkehrs).