21. März 2023

Die Bahn transportiert mehr Güter durch die Alpen als die Lastwagen. Warum? Nicht zuletzt, weil die Alpen-Initiative ein konkretes Verlagerungsziel vorgegeben hat. Heute aber braucht es ein solches Ziel für den gesamten Güterverkehr in der Schweiz – nicht nur für den alpenquerenden.

tob. Der Bundesrat hat die Zahl selbst genannt: 650’000 zusätzliche Lastwagen auf den Strassen pro Jahr. Das droht, wenn die Bahn weitere Marktanteile an die Strasse verliert. Der Schienengüterverkehr in der Fläche, wie man fachtechnisch sagt, braucht deshalb bessere Rahmenbedingungen und mehr Unterstützung. Nicht nur zum Schutz des Klimas, sondern auch, um Energie effizienter zu nutzen, den Kollaps auf den Autobahnen zu verhindern und die Versorgungssicherheit in der Schweiz zu gewährleisten.

Umkehr dringend nötig

Der Trend der letzten Jahre aber zeigt in die falsche Richtung. Der Anteil des Schienengüterverkehrs im Binnen-, Import- und Exportverkehr sinkt: Im Jahr 2000 betrug er 29 %; 2020 waren es nur noch 21 %. Zudem haben die Lastwagen 2021 in der Schweiz so viele Kilometer zurückgelegt wie noch nie in den letzten 20 Jahren. Und: Seit 2000 hat der Schwerverkehr mit Lastwagen und Sattelschleppern sowie leichten Güterfahrzeugen um 28 % zugenommen!

So kann es nicht weitergehen. Das wissen alle politischen Akteurinnen und Akteure. Selbst die Vertreter der Lastwagenlobby schreiben, «dass Gütertransporte auf der Schiene sowohl im Inland wie für Importe und Exporte erst recht in Zukunft von grosser Bedeutung sind». Das heisst: Will die Schweiz den Ausstoss von klimaschädlichem CO2 reduzieren und zusätzliche Staus auf den Strassen vermeiden, müssen mehr Güter mit der Bahn befördert werden.

Es fehlt das klare Ziel

Der Bundesrat hat deshalb eine Auslegeordnung für die zukünftige Ausrichtung des Schienengüterverkehrs in der Fläche gemacht. Er hat zwei Varianten für die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr vorgeschlagen. Wir haben das Papier gründlich studiert und kommen zu einem eindeutigen Schluss: Was der Bundesrat vorschlägt reicht nicht, es braucht mehr:

Wir fordern für den gesamten Import-, Export- sowie Binnenverkehr ein ambitioniertes und verbindliches Verlagerungsziel. Das heisst, ein bestimmter Anteil des Güterverkehrs muss zwingend auf der Schiene erfolgen – des gesamten Güterverkehrs in der Schweiz, nicht nur alpenquerend.

Wir begrüssen aber, dass finanzielle Anreize eingeführt werden sollen, um die Verlade- und Umschlagvorgänge auf die Bahn zu fördern. Ebenso unterstützen wir die Ausrichtung der Beitragshöhe auf die energie-, umwelt- und verkehrspolitischen Ziele. Wichtig ist für uns auch, dass die automatische Kupplung als Schlüsseltechnologie bei der Bahn explizit gefördert werden soll.

Der Fehler rächt sich

Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Politik falsch entschieden hatte, als sie 2016 kurzsichtig auf Eigenwirtschaftlichkeit setzte und darum die finanzielle Unterstützung des Binnenschienengüterverkehrs stoppte. SBB Cargo als Schweizer Hauptakteurin musste folglich sparen. Sie hat die Infrastruktur für den Umschlag – wegen unrentabler Strecken in der Feinverteilung – auf heute noch 285 Bedienpunkte gesenkt: Im Jahr 2000 gab es noch rund 500 solcher Punkte, wo Güterwagen be- und entladen werden konnten!

Was haben sich die Obersparer 2016 gedacht? Man verliere keine Bahnkundschaft, wenn man das Angebot verschlechtert? Die Transporteure würden nicht sofort auf die Strasse wechseln, wo die Preise aufgrund einer nicht kostendeckenden LSVA viel zu tief sind? Es muss sich politisch endlich die Einsicht durchsetzen, dass Verkehrspolitik auch Klimapolitik ist und echter Klimaschutz einen umweltverträglichen Verkehr voraussetzt. Wenn bei der Bahn unter dem Titel der Eigenwirtschaftlichkeit weiter gespart wird, verliert das Klima und wir haben 650’000 zusätzliche Lastwagen auf den Strassen. Das wäre langfristig ein riesiger Schaden!

Unsere vier Hebel

Der neue Umwelt-, Verkehrs- und Energieminister Albert Rösti muss die schweizweite Verlagerung stärken. SBB Cargo wie auch die weiteren Unternehmen im Schienentransport müssen dringend faire Wettbewerbsbedingungen erhalten.

Die Alpen-Initiative setzt sich mit aller Kraft dafür ein und fordert konkret:

  • mehr Binnen-, Import- und Exportgüterverkehr auf die Schiene verlagern,
  • die LSVA weiterentwickeln für mehr Verlagerung, Kostenwahrheit und Klimaschutz,
  • technischen Innovationen im Schienengüterverkehr zum Durchbruch verhelfen,
  • mehr Bahn für mehr Sicherheit – für die Menschen und die Umwelt.

Verlagern, auch beim Güterverkehr in der Fläche!

Verkehrsströme im Güterverkehr, 2015. Quellen: BFS – GEOSTAT; ARE

Die zwei Grafiken zeigen deutlich, wie der Güterverkehr in der Schweiz fliesst: Auf der Ost-West-Achse und in der Feinverteilung karren Lastwagen die Güter ans Ziel, die Bahn hingegen ist auf der Nord-Süd-Achse stark. Beim alpenquerenden Güterverkehr wird – dank der Verlagerungspolitik – ein Schienenanteil von 75 % erreicht. Beim nicht-alpenquerenden Binnen-, Import- und Exportverkehr hingegen, dem Schienengüterverkehr in der Fläche, hat die Bahn einen Marktanteil von nur 21 %. Hier muss die Politik ansetzen und ebenfalls ein Verlagerungsziel festlegen.

Nicht zu vergessen: Funktioniert der Schienengüterverkehr in der Fläche wieder besser, führt das auch zu weniger Lastwagen, die Güter durch die Alpen importieren, exportieren oder zwischen den Landesteilen hin und her karren. Und die Schweiz könnte endlich das Verlagerungsziel beim alpenquerenden Lastwagenverkehr erreichen. Heute beträgt der Anteil des Transitverkehrs am alpenquerenden Strassengüterverkehr nur noch 40 %. Der Rest ist «hausgemachter Verkehr». Deshalb muss die Schweiz noch mehr auf die Schiene verlagern: zum Schutz der Menschen, der sensiblen Alpenwelt und des Klimas.