19. Februar 2024

Um die Schweizer Verfassung zu ändern, braucht es die Mehrheit des Volkes und der Kantone. Das haben wir geschafft, die Schweiz hat 1994 Ja gesagt zur Alpeninitiative. Artikel 84 regelt seither in drei Absätzen den «alpenquerenden Transitverkehr». Dennoch lässt die vollständige Umsetzung bis heute auf sich warten. Wir bleiben dran!

Art. 84 der Schweizerischen Bundesverfassung

  1. Der Bund schützt das Alpengebiet vor den negativen Auswirkungen des Transitverkehrs. Er begrenzt die Belastungen durch den Transitverkehr auf ein Mass, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensräume nicht schädlich ist.

Das ökologisch sensible Alpengebiet ist besonders stark von den negativen Auswirkungen des Verkehrs betroffen. Dank der Alpen-Initiative haben sich die Auswirkungen des alpenquerenden Güterverkehrs auf den Transitachsen verringert: weniger Lärm und weniger Umweltverschmutzung. Das ungebremste Verkehrswachstum im Privat- und Lieferwagenverkehr nagt jedoch an diesem Fortschritt. Wir arbeiten weiterhin daran, das Berggebiet als lebenswerten Raum zu erhalten.

  1. Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene. Der Bundesrat trifft die notwendigen Massnahmen. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn sie unumgänglich sind. Sie müssen durch ein Gesetz näher bestimmt werden.

Die Umsetzung von Absatz 2 des Alpenschutzartikels wird im Güterverkehrsverlagerungsgesetz (GVVG) gesetzlich geregelt. Die Begrenzung des alpenquerenden Güterverkehrs muss infolge Landverkehrsabkommen mit der EU diskriminierungsfrei erfolgen. Das heisst, Binnen-, Import-, Export- und Transitverkehr werden gleichbehandelt. Es dürfen jährlich maximal 650’000 Lastwagen die Schweizer Alpen queren. Dieses Verlagerungsziel hätte bis spätestens zwei Jahre nach der Eröffnung des Gotthardbasistunnels erreicht werden sollen, also bereits 2018. Doch der Bundesrat verschleppt seinen Auftrag – noch heute passieren über 270’000 Lastwagen mehr als erlaubt die Alpen. Ein wichtiges Verlagerungsinstrument ist unter anderem die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Der Schaden, den der Strassengüterverkehr anrichtet, wird damit jedoch nicht mal zur Hälfte abgegolten. Damit die Schiene im Wettbewerb mit der Strasse eine faire Chance hat, muss zudem weiterhin in die Infrastruktur investiert werden und muss der Bund die Fördermittel erhöhen.

  1. Die Transitstrassen-Kapazität im Alpengebiet darf nicht erhöht werden. Von dieser Beschränkung ausgenommen sind Umfahrungsstrassen, die Ortschaften vom Durchgangsverkehr entlasten.

Mit dem Bundesgesetz über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet (STVG) wurde dieser Absatz des Alpenschutzartikels gesetzlich verankert. Im Gesetz wird konkretisiert, dass auf den vier wichtigsten Alpentransitrouten die Verkehrskapazität der Transitstrassen nicht erhöht werden darf. Das Parlament hat sich jedoch für eine sehr begrenzte Anwendung des Verfassungsartikels auf das Kern-Alpengebiet entschieden. Bei der Gotthardroute heisst das beispielsweise von Amsteg bis Bellinzona Nord.
Dank Absatz 3 kann der Gotthard-Strassentunnel auch künftig nur einspurig pro Richtung betrieben werden, sodass die Strassenkapazität nicht erhöht wird. Die Alpeninitiative bewirkt somit, dass keine zusätzlichen Strassen durch die Alpen gebaut werden dürfen, die noch mehr Verkehr anziehen würden. Wer das ändern will, müsste den Alpenschutzartikel in der Verfassung mit einer neuen Volksabstimmung angreifen.

Gewisse Kräfte arbeiten daran, den lang bewährten Alpenschutz mit einem Vierspurbetrieb durch den Gotthard zu sprengen. Doch eine Kapazitätsverdoppelung würde der Verkehrslawine nichts entgegenhalten – im Gegenteil. Sie würde noch mehr Verkehr anziehen und den Stau nur in andere Regionen verschieben. Gefragt sind schnelle und mutige Lösungen: ein intelligentes Verkehrsmanagement und mehr Verlagerung auf die Bahn. Eine Aufweichung des Alpenschutzes lassen wir nicht zu!