18. Februar 2016

Als die Alpen-Initiative 1994 angenommen wurde und der damalige Landamman Hansruedi Stadler auf dem Lehnplatz in Altdorf tanzte, war sein Sohn Simon Stadler gerade mal sechs Jahre alt. Heute sitzt er im Urner Landrat und engagiert sich zusammen mit seinem Vater gegen eine 2. Röhre.

Hans-Ruedi Stadler, 1994

dw. Das Urner Politik-Urgestein Hansruedi Stadler gewann im Vorfeld zur Abstimmung über die Alpen-Initiative 1994 nationale Bekanntheit. Im emotional geführten Kampf um die als chancenlos eingestufte Initiative von Berglern und Umweltschützern engagierte sich Hansruedi Stadler an vorderster Front. Nach dem Abstimmungserfolg tanzte er als Landammann auf dem Lehnplatz in Altdorf. Schmunzelnd erzählt auch Hansruedi Stadlers Sohn Simon vom grossen Fest. Da er an jenem geschichtsträchtigen Abend des 20. Februars 1994 erst sechs Jahre klein war, erinnert er sich vor allem an ganz viele Beine.

Fünf Jahre später setzte sich Hansruedi Stadler als Ständerat und Mitglied der NEAT-Aufsichtsdelegation weiter für die Verkehrsverlagerung ein. Und auch heute, fast sechs Jahre nach seinem Rücktritt aus der kleinen Kammer, liegen ihm Alpenschutz und NEAT noch am Herzen. Für ihn ist klar: NEAT und 2. Röhre sind nicht miteinander vereinbar. «Die 2. Röhre ist der Umfahrungstunnel für die Lastwagen gegenüber der NEAT. Die Verlagerungspolitik wird dadurch sabotiert und die Milliarden, die in die NEAT gesteckt wurden, wären für die Katz.»

Neben den verkehrs- und finanzpolitischen Argumenten, die sein Vater gegen eine 2. Röhre vorbringt, haben Simon Stadlers Motive viel mit Heimat zu tun. Der heutige Landrat findet es schade, dass der Kanton Uri trotz seiner Naturschönheiten meist nur als Durchgangskanton angesehen wird. Eine 2. Röhre würde noch mehr Transitverkehr anziehen und das negative Image des Kantons verstärken.

Falsche Argumente
Die beiden CVP-Politiker aus dem Hause Stadler entlarven die Argumente der Befürworter als Salamitaktik. Das Volk werde für dumm verkauft. Als Bildungsdirektor hat sich Hansruedi Stadler vor 25 Jahren dafür eingesetzt, dass in den Urner Primarschulen Italienisch gelehrt wurde. Er hat die Nähe zum Tessin gelebt und gezeigt, wie wichtig die Verbindung zwischen Norden und Süden ist. Die Aussage, ohne 2. Röhre sei das Tessin abgeschnitten, sorgt bei ihm für Stirnrunzeln. Es gibt für ihn günstigere Alternativen zur 2. Röhre, bei denen das Tessin jederzeit erreichbar bleibt. Zudem erhalte der Südkanton mit der NEAT eine Hochleistungsverbindung, von der andere Regionen nur träumen können. Auch das Versprechen, beide Röhren am Gotthard nur einspurig zu befahren, findet Simon Stadler lächerlich. Der gelernte Maurer weiss: «Ich habe noch nie ein Haus gebaut, das dann nur zur Hälfte bewohnt wurde. Die Befürworter einer 2. Röhre sind nicht ehrlich.»

Uri: CVP sagt Nein
Während die CVP und JCVP Schweiz für eine Verdoppelung der Tunnelröhren am Gotthard weibeln, haben sich die Urner CVP und JCVP klar dagegen ausgesprochen. Die christdemokratischen Röhrengegner im Kanton Uri wurden von Parteikollegen lange kritisiert, diffamiert und schlecht gemacht. Das klare Abstimmungsresultat am Parteitag im November (115 Nein- zu 55 Ja-Stimmen) hat die Röhrenturbos aber eines Besseren belehrt. Für den JCVP-Politiker Simon Stadler ist es unbestritten, dass man als Urner – egal aus welcher Partei – gegen eine 2. Röhre sein muss. «Dies ist eigentlich Volksauftrag. Denn das Urner Volk hat erst vor fünf Jahren eine gleiche Vorlage einer 2. Röhre bachab geschickt.»

Von der Wahlfeier ins Spital
Die Politik wurde dem seit 2012 im Landrat sitzenden Simon Stadler buchstäblich in die Wiege gelegt. «Als ich mit 34 Jahren in den Regierungsrat gewählt wurde, bekam meine Frau Esther vor Schrecken ein Kind», scherzt Hansruedi Stadler und lacht. Tatsächlich machte sich der frischgebackene Regierungsrat nach seiner Wahlfeier direkt auf den Weg ins Spital, wo am späteren Abend sein Sohn Simon das Licht der Welt erblickte.

Simon Stadlers Einstieg in die Politik war dann doch eher zufällig. In der «Tellenbar», der meist letzten Station einer langen Partynacht in Altdorf, diskutierte der damals 19-Jährige in den frühen Morgenstunden mit seinem Kollegen Flavio Gisler über die Abwahl des Bundesrats Christoph Blocher. Dabei erörterten sie ihre gemeinsamen Präferenzen für die CVP und beschlossen, sich der JCVP Uri anzuschliessen. Heute vertreten die beiden ihre Partei im Landrat Uri und setzen sich lokal wie auch im nationalen Komitee «Bürgerliche gegen zweite Röhre» gegen den Ausbau am Gotthard ein.

Den Vater freuts
Obwohl die Meinungen von Hansruedi und Simon Stadler auch mal auseinandergehen, freut den Vater das politische Engagement seines Sohnes. Er lobt die ehrliche und offene Politik der JCVP Uri und beneidet als «Gstudierter» seinen Sohn auch etwas um dessen beruflichen Werdegang, welcher zuerst eine Berufslehre als Maurer absolvierte und dann via Berufsmatura noch die Ausbildung zum Lehrer macht. Und natürlich befriedigt es ihn, dass sich noch heute viele Junge für den Alpenschutz stark machen. Beide sind gespannt und hoffen auf ein NEIN am 28. Februar 2016.

Übrigens: Für Simon Stadler stehen an diesem Tag gleich zwei Entscheidungen an – einerseits die Abstimmung über die 2. Gotthard-Röhre, andererseits seine Wiederwahl zum Landrat. Hoffen wir auf gutes Gelingen, sodass Vater und Sohn zusammen auf einen gelungenen Abstimmungssonntag anstossen können.