1. Juni 2023

Die EU-Kommission prüft diesen Sommer die europaweite Zulassung von Gigalinern. Damit würde der Weg frei für 25 Meter lange und 60 Tonnen schwere Lastwagen. Auch wenn die Schweiz nicht Mitglied der EU ist, wird der Druck zunehmen, Gigaliner auf den Schweizer Strassen zuzulassen. Denn der Nord-Süd-Korridor ist eine der wichtigsten Verkehrsachsen Europas.

Gigaliner, Monsterlastwagen oder Megatrucks – in Schweden und Finnland werden diese etwa 25 Meter langen und 60 Tonnen schweren Lastwagen bereits in grosser Zahl eingesetzt. In Deutschland sind die Gigaliner bereits auf 11’600 Kilometern des Streckennetzes zugelassen. Und in anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Portugal, Spanien und Tschechien wird ihr Einsatz zurzeit getestet.

Als die EU-Kommission bereits 2012 eine vereinfachte Zulassung der Gigaliner einführen wollte, stiess sie auf grossen Widerstand aus der Bevölkerung. Nun knapp 10 Jahre später will sie, angetrieben von Deutschland und dessen Verkehrsministier Volker Wissing (FDP), einen neuen Versuch starten, diese Monster europaweit zuzulassen. Falls dieser Vorschlag durchkommt, hätte dies wohl auch weitreichende Folgen für die Schweiz, obwohl im Landverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU das Maximalgewicht der Lastwagen auf 40 Tonnen beschränkt ist. Doch die EU wird alles daransetzen, damit zumindest auf dem für sie so wichtigen Nord-Süd-Korridor die Gigaliner zugelassen werden.

Gigaliner sind alles andere als «ökologisch»

Längere und schwerere Lastwagen können mehr Güter transportieren. Die europäische Lastwagenlobby verkauft ihre Gigaliner daher seit Jahren als die «ökologische Lösung» für den Güterverkehr, denn nach ihrer Argumentation könnten so künftig Lastwagenfahrten eingespart werden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Da die Strasse im Vergleich mit der Schiene immer noch viel zu günstig ist, wäre eine massive Rückverlagerung der Gütertransporte auf die Strasse die Folge. Somit wären im Falle einer Zulassung künftig mehr statt weniger Lastwagen auf den Strassen und die CO2-Emissionen stiegen weiter.

Was bedeuten Gigaliner für das Schweizer Strassennetz und die Verlagerungspolitik

Der Bundesrat hielt bereits nach Abschluss des Landverkehrsabkommens fest, dass die Schweiz trotz breiter Ablehnung in der Bevölkerung unter Druck der EU geraten könnte, Gigaliner ganz oder teilweise zulassen zu müssen. Auch das Bundesamt für Strassen (ASTRA) sagt dies in einer Stellungnahme auf ihrer Website: «In der EU gibt es Bestrebungen, Länge und Gewicht von Fahrzeugen auf maximal zulässige 25,25 Meter und 60 Tonnen zu erhöhen (…) Sollte sich die europäische Kommission dazu entschliessen, die Vorschriften entsprechend anzupassen, könnte die Schweiz trotz breiter politischer Ablehnung der Zulassung von Gigalinern unter Druck geraten, ihre Längen- und Gewichtslimiten (…) anzupassen und damit Gigalinern ganz oder teilweise auch in der Schweiz zuzulassen.» Um abzuschätzen, was die Auswirkungen auf das Schweizer Strassennetz wäre, führte das ASTRA 2011 eine Analyse durch. Diese kam zum Schluss, dass eine generelle Zulassung von Gigaliner gar nicht möglich ist. Es fehlt an allen Ecken und Enden die Infrastruktur für solche Monster auf den Strassen. Zahlreiche Knotenpunkte, Anschlüsse bei Hochleistungsstrassen und Kreisel sind nicht dafür ausgelegt. Ausserdem sind die Brücken und Tunnels nicht für Gigaliner gedacht, speziell bei Gefahrguttransporten wäre die Sicherheit nicht mehr gewährleistet. Das Schweizer Strassennetz würde innert kürzester Zeit kollabieren und der Ausbau der Infrastruktur Milliarden von Franken kosten.

Doch für den Fall einer vorgesehenen Zulassung von Gigalinern hat die Alpen-Initiative vorgesorgt. Unter Leitung des ehemaligen Präsidenten der Alpen-Initiative Fabio Pedrina hat sich eine Koalition von 47 Organisationen gebildet, dank der im Strassenverkehrsgesetz (SVG) nicht nur das Maximalgewicht, sondern auch die Maximallänge, -höhe und -breite für Lkw festgeschrieben wurde. Somit können allfällige Änderungen mittels eines Referendums bekämpft werden.