17. Februar 2022

Das Europaparlament schwächt den Alpenschutz. Österreich läuft Sturm, weil die neue Lastwagenmaut «Eurovignette Direktive» keine Transportverkehrsbeschränkung am völlig überlasteten Brenner zulässt. Generell ist die Eurovignette zu einseitig auf die Senkung der CO2-Emissionen ausgerichtet. Für Elektro- und Wasserstofflastwagen gilt die totale Abgabebefreiung bis 2025 mit zusätzlichen langfristigen Rabatten. Für die europäische Verlagerungspolitik ist das ein schlechtes Signal. Der Bahntransport wird damit im Wettbewerb mit der Strasse stark geschwächt.

Ein fauler Kompromiss: Genau das hat das europäische Parlament heute mit der Verabschiedung der europäischen Lastwagenmaut «Eurovignette Direktive» beschlossen. Die Folgen für den ganzen Alpenraum sind verheerend. Besonders betroffen ist der bereits massiv überlastete Alpenübergang am Brenner in Österreich. Zwar hätte Österreich die Möglichkeit, den Verkehr am Brenner mit einer regionalen Mauterhöhung zu regulieren. Doch weil solche regionalen Erhöhungen gemäss den neuen Bestimmungen nur mit Zustimmung der Nachbarländer in Kraft zu setzen sind, ist das am Brenner praktisch unmöglich. Mehr Verkehrsdruck durch den Schwerverkehr ist nicht nur in Österreich, sondern in geringerem Ausmass auch in der Schweiz zu erwarten. Die Zahl der alpenquerenden fossilfrei betriebenen Elektro- und Wasserstofflastwagen wird stark steigen. Ausschlaggebend dafür ist weniger die vollständige Abgabebefreiung bis 2025, sondern die weit darüber hinaus festgelegten massiven Rabatte. In den kommenden Jahren dürften die Gebühren für die Strassennutzung je nach CO2-Bilanz um drei Viertel gegenüber dem Normaltarif reduziert werden. Im Gegenzug dürften die Abgaben bei Diesellastwagen gleichzeitig um bis zu 50 Prozent erhöht werden. Eine so starke Subvention von fossilfreien Antrieben ist höchst problematisch. Denn die Preisschere trifft die Bahntransporteure empfindlich. Die europäische Alpenschutzkommission CIPRA und die Alpen-Initiative konnten trotz kräfteaufreibender Lobby-Arbeit diese Fehlentwicklung nicht stoppen.

Fairere, umweltgerechte Anreize setzen

Eine glaubwürdige Verkehrspolitik muss die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene und die Verlagerung stärken. Die einseitige Ausrichtung auf fossilfreie Antriebe ist dem Umwelt- und Alpenschutz alles andere als dienlich. Denn nachweislich verursachen fossilfrei betriebene Lastwagen rund zwei Drittel der Umweltkosten eines Diesellastwagens. Auch sie beanspruchen Strassen, verursachen Lärm und Unfälle, erzeugen umweltschädlichen Gummiabrieb und Feinstaub, ganz zu schweigen von den Staukosten. Zu hohe Abgabenrabatte oder eine zu lange währende Totalbefreiung für fossilfreie Lastwagen verzerren den Wettbewerb mit dem Schienentransport. Sich auf die Erhöhung der Abgaben auf fossile Antriebe zu beschränken, ist fairer, stärkt die Kostenwahrheit und trägt viel eher zur Verlagerung bei.