19. Juli 2017

Finanziell lohnt es sich, Waren über Tausende von Kilometern hin und her zu verfrachten. Dieser Wahnsinn schadet Mensch und Umwelt. Unser Preis «Teufelsstein» entlarvt seit 2002 die Absurdität gewisser Transporte. Unser Preis «Bergkristall» zeichnet gute Beispiele aus. Dieses Jahr bestimmen Sie, wer die Preise erhalten soll!

Die Prognosen für den internationalen Warenverkehr sind erschreckend. Der Bund sagt ein Wachstum der Transporte auf der Strasse von 37 Prozent bis 2040 vor. Die OECD rechnet mit einer Zunahme des CO2-Ausstosses beim weltweiten Güterverkehr um 160 Prozent bis 2050.

Die Schweiz bemüht sich um die Verlagerung der Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene. Damit würde auch der CO2-Ausstoss des Güterverkehrs reduziert. Die Schweiz ist jedoch noch nicht am Ziel.

Wir fordern deshalb ein Umdenken und weitere Massnahmen: Sinnlose Transporte sollen vermieden und die ganze Transportkette effizienter werden. Mit zwei Preisen – dem Teufelsstein und dem Bergkristall – wollen wir diese Entwicklung in Gang bringen. Welches ist der überflüssigste Warentransport? Welches Projekt verkürzt auf effiziente Weise den Transportweg? Wir stellen je drei Beispiele vor.

Die Abstimmung ist mittlerweile abgeschlossen, die beiden Preise werden am 28. September 2017 verliehen.

Teufelsstein

Fiji: Wasser von einer pazifischen Insel, ein Tropfen Paradies?
Der Markt mit Luxuswasser floriert. Ein Beispiel ist das Wasser von den Fidschi-Inseln. Es wird von der Firma Trivarga importiert und bei Manor und Globus verkauft. Die Etikette des «Fiji»-Wassers suggeriert das Bild einer paradiesischen Vulkaninsel mit tropischen Wäldern. Die Realität ist eine andere: Das Wasser wird auf dem Seeweg über mehr als 22’000 Kilometer nach England gebracht. Von dort kommt es per Lastwagen in die Schweizer Läden. Das ist doppelt paradox. Fidschis Regierung wird die nächste Weltklimakonferenz COP23 präsidieren. Der Inselstaat ist vom Klimawandel besonders betroffen und bedroht, beim Ansteigen des Meeresspiegels zu versinken.

Emmi: Energie spendendes oder Energie fressendes Getränk?
Emmi dominiert den Markt der Fertig-Milchkaffees und bietet eine lokale Alternative zu Importen wie beispielweise von Starbucks. Doch ein Produkt enttäuscht: Der Caffè Latte Extra Shot in der Alu-Dose, produziert in Deutschland mit Milch aus der Schweiz. Hin und zurück sind das 1360 Lastwagen-Kilometer. Das Unternehmen erklärt, mit diesem Kaffee in der Alu-Dose könne es im Segment der Energie spendenden Getränke präsent sein, zudem gebe es in der Schweiz keinen Betrieb, der ein Milchgetränk in Alu-Dosen abfüllen könne. Eine erstaunliche Rechtfertigung für ein Unternehmen, das seine CO2-Emissionen um 25 Prozent reduzieren will und ein Produkt mit ähnlichem Inhalt im Sortiment hat, das fast 13 Mal weniger CO2 verursacht.

Migros: Wild, ein regionales Saisonprodukt?
Der Hirschpfeffer aus Neuseeland, der bei Migros im Regal steht, ist definitiv kein solches Produkt. Die Tiere werden in Neuseeland geschlachtet, das Fleisch anschliessend eingefroren und 22’000 Kilometer mit dem Schiff nach Bremerhaven D verfrachtet. Dann folgen weitere 900 Kilometer in die Schweiz. Das Wild macht zwar nur 1 Prozent des Fleischkonsums in der Schweiz aus. Aber ein Viertel der Importe stammt aus Ozeanien. Migros’ Mediensprecher sagt, dass man sich bemühe, ab 2019 nur noch Hirschpfeffer aus Europa anzubieten. Stammt das Wild aus der näheren Umgebung, kann der CO2-Ausstoss beim Transport um den Faktor 9 reduziert werden.

Bergkristall
Lausanne: Gut und regional essen in der Schule
Die Stadt Lausanne verpflegt die 6400 Kinder, die in der Schule essen, nach einem innovativen Konzept. Unterstützt von der städtischen Abteilung «Nachhaltige Entwicklung» zielt Lausanne darauf ab, dass die Produkte aus der Umgebung stammen und eine hohe Qualität aufweisen. Ebenso muss das Kochteam die Grundprinzipien gesunder Ernährung beachten und jede Woche einen Tag ohne Fleisch einplanen, all dies mit einem strikten Budget – Mehrkosten pro Mahlzeit und Kind dürfen höchstens 25 Rappen betragen. Das Ziel ist ambitiös: 70 Prozent der Produkte sollen aus dem Umkreis von 70 km stammen. Die Stadt Lausanne hat diese Herausforderung pionierhaft angenommen.

Zürich: E-Commerce und E-Bike verbinden
Das Zürcher Unternehmen ImagineCargo ist Partner der SBB und hat einen Bike-Bahn-Bike-Dienst aufgebaut. So wird eine nachhaltige Transportkette zwischen Ballungsräumen in der Schweiz, Deutschland und Österreich sichergestellt. 99 Prozent des CO2-Ausstosses kann reduziert werden, wenn das Paket per Velokurier zum Bahnhof geliefert, in einem Personenzug befördert und am Zielort per Velo verteilt wird. Elektrische Cargo-Velos transportieren heute bis zu 250 Kilo. Nick Blake von ImagineCargo glaubt, dass diese Transportart das Wachstum bewältigen kann, das durch den Online-Handel ausgelöst wird.

Cernier: Wolle aus dem Jurabogen
Dank einer Volksbewegung und 20’000 Unterschriften konnten die Subventionen für die einheimische Schafwolle gerettet werden; es war vorgesehen, diese Unterstützung zu streichen. Aus der Bewegung ist ein Verein von Engagierten entstanden. «Laines d’ici» (Wolle von hier) mit Sitz in Cernier im Kanton Neuenburg sammelt jedes Jahr drei bis vier Tonnen Wolle im Jurabogen ein. Der grösste Teil davon wird im Thurgau zu Isolationsmaterial verarbeitet. Künftig soll mindestens eine Tonne direkt vor Ort verarbeitet werden, sagt Vizepräsidentin Valérie Thiébaut. Konkret heisst das, dass die Wolle in Cernier gefärbt, kardiert, gesponnen und gefilzt werden soll.