29. September 2021

40-mal am Tag riskieren Lastwagen mit Gefahrgut am Simplonpass irreparable Schäden an Mensch und Natur. Plastisch und umweltschonend zeigt die Alpen-Initiative diese Risiken mit einem animierten Katastrophenszenario. Erst zu handeln, wenn der Ernstfall eintritt, ist fahrlässig. Stattdessen muss der Bundesrat diesen Herbst die Gefahrguttransporte am Simplon verbieten und auf die Schiene verbannen.

Reines Alpenwasser bildet die Quelle des Lebens in unserem Lebensraum Alpen. Umso bedenklicher, dass über dem Idyll «Grund» und damit einem Flussbett der Saltina am Fuss des Simplonpasses eine Zeitbombe tickt. Die Auenlandschaft von nationaler Bedeutung ist nur ungenügend geschützt. 11’000 mal im Jahr rollen Transportlastwagen mit Gefahrgut die Passstrasse hoch. Meist stammen sie aus der chemischen Industrie des Wallis und der Genferseeregion oder sie führen diesen Gefahrgüter zu.

Die Alpen-Initiative simuliert in einem Animationsfilm ein mögliches Katastrophenszenario: Kaum zeigt die Kamera nach kurzer Fahrt durch die geschützte Landschaft auf die 678 Meter lange Ganterbrücke, passiert es. Eine schwarze Rauchwolke steigt auf. Ein Tanklastwagen stürzt durch das Sicherheitsgitter ins Tobel hinunter. Die Kamera folgt dem Lastwagen auf den Talgrund tief darunter: Das Fahrzeug knallt neben der Saltina auf das Dach. Es brennt lichterloh. Um zu symbolisieren, dass Gift ausfliesst, hat die Alpen-Initiative das Wasser violett eingefärbt. In diesem Fall ist es Epichlorhydrin. In kürzester Zeit ist die Umgebung damit kontaminiert. Der Stoff ist hochgiftig und potenziell krebserregend. Ungehindert fliesst das verseuchte Wasser das Tal hinunter durch das Naturschutzgebiet nach Brig, wo es mit der Rhone in den Genfersee gelangt. Der Unfall hat das Wallis über die Kantonsgrenzen hinaus in kürzester Zeit weitflächig geschädigt.

Die Alpen-Initiative fordert vom Bundesrat ein Verbot

Nicht auszudenken, wenn sich so eine Katastrophe tatsächlich ereignen würde. Umweltschonend, aber deswegen nicht weniger eindrücklich, nimmt die Apen-Initiative mit ihrem Animationsvideo den Ernstfall vorweg. Das Video illustriert: Ein Risikomanagement, das auf den ersten gravierenden Unfall am Simplon wartet, bevor es Gefahrguttransporte über die Simplonpass verbietet, ist nicht mehr zeitgemäss. Zu verheerend wären die Unfallfolgen für die Umwelt und die örtliche Bevölkerung. Die Alternative, diese Güter in Visp auf die Bahn Richtung Süden zu verladen, steht längst bereit. Daher ist aus Sicht der Alpen-Initiative klar: Vorbeugen ist besser als viel zu spät reagieren: Gefahrguttransporte am Simplon gehören ab sofort verboten. So wie es am Grossen Sankt Bernhard, dem Gotthard oder dem San Bernardino längst der Fall ist.

Das Video ist Zündstoff zuhanden des Bundesrats. Eine Risikoanalyse zu Gefahrguttransporten am Simplon hat er bereits vorgenommen. Nicht ohne Folgen: Er hat die transportierenden Industrieunternehmen und die Walliser Regierung und Verwaltung zu freiwilligen Massnahmen aufgefordert. Gefruchtet hat das kaum etwas. Daher ist es nun höchste Zeit, diese nicht haltbare Ausnahmeregelung zu beenden. Die Alpen-Initiative erwartet, dass sich der Bundesrat in seinem Verlagerungsbericht 2021 diesen November für ein Verbot von Gefahrguttransporten über den Simplonpass ausspricht.

Zitate:

«Der Bund spielt fahrlässig mit dem Schicksal von Menschen, Tieren und Pflanzen im Wallis. Jeder Unfall mit einem Lastwagen, der giftige Stoffe über den Simplonpass transportiert, ist einer zu viel und deshalb untragbar!»
Jon Pult, Präsident Alpen-Initiative

«Gefährlich, unnötig und aus der Zeit gefallen. Wir verlangen, dass diese 11’000 Gefahrguttransporte pro Jahr am Simplon verboten werden. Stopp zur leichtfertigen Gefährdung unserer naturgeschützten Trinkwasserquellen in den Alpen. Gefahrgüter gehören auf die sichere Schiene.»
Django Betschart, Geschäftsleiter Alpen-Initiative 

«Die Gefahrguttransporte am Simplon sind nicht vereinbar mit dem Schutz des Auengebiets von nationaler Bedeutung. Nicht nur beeinträchtigen die CO2-Abgase, der Feinstaub und der Gummiabrieb der täglich 40 Gefahrgutlastwagen am Simplon den Alpenraum weit über Gebühr. Bei einem Unfall würden zahlreiche geschützte Biotope unwiederbringlich verloren gehen.»
Brigitte Wolf,  Vorstand Alpen-Initiative

Hintergrundinformationen:

Zum Verbot von Gefahrguttransporten am Simplon

Die Alpen-Initiative fordert schon seit Jahren ein Verbot der Gefahrguttransporte am Simplonpass. Die dazu im Rahmen des Verlagerungsberichts 2019 erstellte Risikoanalyse bewertet den Nutzen der Verlagerung auf die Bahn höher als die Kosten. Die Risiken für Fliessgewässer und Strasse würden stark sinken. Auch wenn man diese Vorteile den Zusatzrisiken für den Bahntransport gegenüberstelle, sei die Risikominderung mit der Verlagerung «erheblich».

Die Studie sieht im alternativen Bahnverlad allerdings geringfügige zusätzliche Gefahren für Personen (+1%). Ob man bei einem solch tiefen Wert von einem ambivalenten Ergebnis der Studie reden kann, wie das BAV dies tut, ist sehr fragwürdig. Die Risikoanalyse ist aus Sicht der Alpen-Initiative zudem nur bedingt aussagekräftig, da sie keinerlei Massnahmen an der Infrastruktur in Betracht zieht, um diese neuen Risiken, die durch den Bahnverlad entstehen, zu senken. Mit verhältnismässig geringem baulichem Aufwand wäre hier sehr viel möglich. Als ernsthaftes Gegenargument zum Verbot besticht die Risikoanalyse nicht, ganz im Gegenteil. In der Studie wird festgehalten «Aus Sicht der vorliegenden Risikoanalyse wäre daher eine Verlagerung der relevanten Leitstoffe anzustreben, insbesondere wenn sich die hohen Transportmengen an wassergefährdenden Stoffen (Leitstoff Epichlorhydrin) bestätigen.»

Gefahrgüter: mehr als nur entzündlich und giftig

Im Transportwesen umfassen Gefahrgüter nicht nur Stoffe, die Gifte enthalten, sowie Brände und Explosionen verursachen. Es sind auch solche mitgemeint, die in Verbindung mit Transportunfällen gefährlich mit anderen Stoffen reagieren können.

Epichlorhydrin – ein beispielhaft schädlicher Giftstoff

13’468 Tonnen der hochreaktiven chemischen Verbindung sind allein 2018 über den Simplon geführt worden. Epichlorhydrin wird bei der Herstellung von Harzen, Lösungsmitteln und als Bestandteil von Pestiziden verwendet. Der Giftstoff kann Krebs in den Atemwegen, Lungenödeme und Nierenschäden verursachen und das Blut beeinträchtigen. Menschen und Tiere nehmen Epichlorhydrin schnell über die Haut und die Lunge auf. Es verteilt sich sehr rasch im ganzen Körper.

Schützenswerte Auenlandschaft «Grund»

Unterhalb des Unfallgebiets und einige Kilometer von Brig entfernt ist die Schwemmlandzone Grund seit 1997 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der Zusammenfluss von Nesselbach, Gasterbach und Taferna oberhalb der Saltinaschlucht ist der einzige Ort nördlich der Alpen, wo die Maulwurfsart «Blinde Mole» vorkommt. Außerdem sind hier die Felsenschwalbe und die Wasseramsel beheimatet, Arten, die gut an die Umwelt angepasst und schützenswert sind. Zudem sind die Schwemmlandterrassen und Kiefernwälder der Gegend reich von Hirschen, Rehen und Luchsen besiedelt.